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Demonstriert für FAIR SHARE – Sichtbarkeit für Künstlerinnen!

Am 8. März 2020, dem Weltfrauentag, ging die Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit – Künstlerinnen der Alten Nationalgalerie vor 1919“ in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu Ende. Zum ersten  Mal wurden alle im Bestand vorhandenen Künstlerinnen mit mindestens einem Werk vorgestellt. Bis Oktober 2019 wurden in der Schausammlung nur 5 von 550 Werken von einer Künstlerin gezeigt – nicht einmal 1%.  100 Jahre nach der Zulassung von Frauen an der Kunstakademie Berlin für Frauen, gefeiert von der Ausstellung KLASSE DAMEN! im Schloss Biesdorf und nun auch von dem renommierten Haus auf der Museumsinsel, konstatieren wir, dass die Kunstwerke von Frauen weiterhin eklatant unterrepräsentiert sind. Nicht nur der Kunstmarkt, auch der staatlich subventionierten Kulturbetrieb hat männliche Künstler im Fokus;  Ankaufs- und Ausstellungsetats werden vor allem für Kunst von Männern ausgegeben.

Die Staatlichen Museen zu Berlin sind kein Einzelfall: In den meisten Schausammlungen, sowie Überblicks- und Einzelpräsentationen durch alle Jahrhunderte, stehen Künstlerinnen im Schatten ihrer männlichen Kollegen – obwohl es seit Erstarken des Bürgertums im 19. Jahrhundert unzählige professionell tätige Künstlerinnen gab und gibt. Gender Pay Gap und Gender Show Gap beweisen mit statistisch belegten Resultaten eine deutliche Ignoranz gegenüber Oeuvre, Einfluss und Biografien von Künstlerinnen. Trotz Gleichstellungsbemühungen sind die Zugangsbarrieren und Vorurteile bis heute virulent und Künstlerinnen werden aufgrund diskriminierender Strukturen im deutschen Förderbetrieb benachteiligt. Selbst dort, wo Frauen in gehobenen Positionen des Kunstbetriebs agieren, bleibt es in der Regel bei den gewohnten patriarchalischen Strukturen und einem Festhalten am tradierten Kanon. 

 

Die Initiative des Aktionstages ging von der 2018 gegründeten Initiative kunst + kind berlin aus. Sie suchte für die Umsetzung andere Künstlerinnen-Organisationen und schloss sich mit der GEDOK Berlin, dem Frauenmuseum Berlin und dem Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V zusammen. Andere Künstlerinneninitiativen wie die Inselgalerie Berlin, das Maleinnernnetzwerk Berlin-Leipzig e.V., Mehr Mütter für die Kunst aus Hamburg und K&K Bündnis Kunst&Kind München unterstützten die Realisierung. 

 

Im Fokus der Aktion stand vor allem die gegenwärtige Situation der Künstlerinnen. Dazu bezogen viele der überaus wertvollen und teils leidenschaftlichen Redebeiträge von Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, Kurator*innen, Kultur-Manager*innen und Publizist*innen Stellung. Einzelne Künstlerinnengruppen und -verbände führten  bidlwirksame Performances und Aktionen durch; an Infotischen wurde über die Verbände und Initiativen informiert. Trotz drohender Corona-Pandemie und erster akuter Warnungen seitens der Regierung fanden sich hunderte Demonstrant*innen ein. Zahlreiche Medien hatten auf den Aktionstag hingewiesen, darunter das Monopol-Magazin, der Tagesspiegel und die dpa. Am Abend des 8. März 2020 berichtete das rbb-Fernsehen und die taz kommentierte die Aktion ausführlich in ihrem Printmedium. 

 

Nun, wenige Corona-Wochen später, dominieren Debatten über die Krise der deutschen Gesellschaft allgemein und der Wirtschaft die Medien. Autokonzerne und Fluggesellschaften erfreuen sich indessen dank mächtiger Lobbyisten milliardenschwerer Subventionen. Viel zu wenig aber wird die extreme Belastung der Frauen im Berufs- und Familienleben thematisiert und die vielen auch vor der Pandemie prekär lebenden (weiblichen) Kulturschaffenden kämpfen ums Überleben. Ihre Sichtbarkeit wird auch nach dem Ende von  Kontaktsperren und Quarantänemaßnahmen um Jahrzehnte zurückgeworfen sein, denn berufliche Gleichstellung und -bezahlung sind im Angesicht der Krise in weite Ferne gerückt – gerade so, als hätten sie immer nur auf tönernen Füßen gestanden. Wenn sich das wahre Gesicht unserer Gesellschaft nun im sog. Corona-Lockdown wie unter einem Brennglas zeigt und bestätigt, dann fürchten die fair-share-Aktivistinnen zu Recht um die Sichtbarkeit von Künstlerinnen und ihre Chancengleichheit im Kunstbetrieb.

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Pressemitteilung
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Dokumentation
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Presseartikel
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